In den mir bisher zugänglich gewesenen relativ wenigen Exemplaren der ROCHADE
waren dem Blackmar-Diemer-Gambit zahlreiche Abhandlungen für oder wider das BDG gewidmet,
was in mir die Vermutung aufkommen läßt, daß es über das BDG immer etwas zu
sagen bzw. mit dem SF Diemer immer etwas zu polemisieren gibt.
Die nachstehende BDG-Partie, in welcher der im Jahre 1969 verstorbene Meister Erich K ü b a r t aus
Leipzig die weißen Steine führt, möchte ich den Lesern der ROCHADE
gerne vorstellen, weil sie unter einem besonderen Aspekt zu betrachten ist. Kübart, ein
"Schachhasardeur par excellence", überraschte seinen Gegner mit dem BDG, aber
schon nach dem dritten Zug von Schwarz (Lemberger Gegengambit) mußte er eine über
Gebühr lange Bedenkzeit in Anspruch nehmen. Es ist möglich, daß manche Zugfolgen
anspruchsvollen Meisteraugen nicht immer genügen, jedoch möge der Nachspielende
berücksichtigen, daß der Führer der schwarzen Steine ein b l i n d e r Schachfreund
der Leistungsklasse 3 (!) ist, der sich hier gegen einen Spieler mit Meistergrad durchsetzt!
Günter R o n g s t o c k aus Eberswalde (Foto), ein zuverlässiger Mitstreiter unter seinen
Kameraden, die sich am Sonnenlicht erfreuen können, hat schon so manchem Spitzenbrett die
Wurst vom Brot genommen.
Ich erwähnte bereits in meinem Artikel in Nr. 157, daß es bei uns im Bezirk Frankfurt/Oder
lediglich einen gibt, der stängig auf dieses Gambit zurückgreift. Es ist dies der SF
Kurt Frank (LK 1) aus Strausberg bei Berlin, der wegen seiner draufgängerischen Spielweise
unter seinen Freunden als "der wilde Frank" bekannt ist. Auch er verfing sich in seiner
Partie gegen Rongstock in den von ihm selber ausgelegten Fallstricken und kassierte eine weiße
Null.
Zur Ehrenrettung von Meister Kübart soll aber gesagt werden, daß ihm als Sehgeschädigten
ebenfalls das Recht zugestanden wurde, die Blindenmeisterschaft mitzuspielen,
woraus auch die vorgestellte Partie stammt, die hier ohne Anmerkungen wiedergegeben sei: Kübart - Rongstock (DDR-Blinden-Einzelmeisterschaft 1968)
Meister Kübart gewann dieses Turnier, und nur an SF Rongstock mußte er den vollen Punkt
abgeben.
Die Partie ist ein beredtes Zeugnis für die Vollwertigkeit unseres blinden Freundes und ein
Beispiel dafür, daß ein Fühlender, Abtastender mitunter mehr "sieht" als
sein sehender Gegner.
Horst Ewald
(Stilistik und weitgehend auch die Formatierung entsprechen der Quelle - Anm. d. A.)
Ergänzung d. A.:
Diese Partie war damals selbst der international sehr renommierten DDR-Zeitung "SCHACH"
eine Veröffentlichung wert...