Das BDG ist eine kontrovers diskutierte Eröffnung, verworfen von vielen, jedoch hochgehalten
von seinen Verfechtern als das Nonplusultra. Daß es so sehr diskutiert wird, geschieht wegen nur
einem Mann: Emil Josef Diemer.
Geboren im Jahr 1908, begann Diemer Schach zu spielen im Alter von 12 Jahren. In den 30-er Jahren
nahm er an verschiedenen internationalen Turnieren teil, wo sein aggressives Spiel großes
Aufsehen erregte. Zu dieser Zeit entdeckte er auch das Gambit (l. d4 d5 2. e4 dxe4 3. f3) des
amerikanischen Meisters Armand Edward Blackmar (1826-1888) für sich (EJD's erste Partien
wurden im Jahrgang 1, Nr. 5 der "BDG World" abgedruckt).
Diemers großes Verdienst ist es, die Gefahr durch 3. ... e5! erkannt und durch Einschaltung
von 3. Sc3, und erst dann 4. f3, das weiße Spiel entscheidend verstärkt zu haben. Deshalb ist die
Bezeichnung Blackmar-Diemer-Gambit auch korrekt.
Die frühen Jahre
Er versuchte seine Form des Gambits zunächst in Fernturnieren, spielte seine erste solche
Partie 1934 gegen einen Gegner namens Bernards. 1936 folgte seine erste Partie in einem
internationalen Turnier in Bad Podiebrad. Sein erstes BDG gegen Bogoljubov spielte er 1948 in
einem offenen Turnier in Konstanz; von dieser Partie stammt die Bezeichnung Bogoljubov-Verteidigung,
ein wichtiges Abspiel, das BDG weiterentwickelnd. Diemer entwickelte sich zu einem gefürchteten
Gegner in internationalen Turnieren. In den Jahren 1935/36 und erneut 1936/37 belegte er den
ersten Platz im Premier Reserve-Turnier in Hastings.
Erfolg in den Fünzigern
In den Nachkriegsjahren gewann Diemer das Baden-Pokalturnier 1951 und 1953, wurde Erster
im Schweizer Nationalturnier in Zürich 1952. Und 1956 wurde sein erfolgreichstes Jahr. Er gewann
das Premier-Reserveturnier in Beverwijk, die Offene Meisterschaft von Holland in Kampen und ein
internationales Turnier in Rapperswil in der Schweiz. Weiterhin wurde er Zweiter in der
internationalen Schweizer Meisterschaft in Thun und in einem Turnier in Gent hinter Großmeister
O'Kelly.
Es gab weitere, nicht ganz so überzeugende Erfolge in den Fünfzigern. Im folgenden
Jahrzehnt zog sich Diemer im wesentlichen vom Schach zurück. Erst in den Siebzigern kehrte er
zurück und gewann 1976 die Senioren-Meisterschaft des Badener Schachkongresses.
Heute spielt er immer noch gute Partien, obgleich er sogar ein großes Handicap überwinden
muß: er ist fast blind, und wie die Partie fortschreitet, wird es stetig schwerer für
ihn, die Spielsteine noch zu erkennen. Aber mit seiner Persönlichkeit, seinem weißen
Bart, ist er stets die Attraktion im Turniersaal.
Er spielt noch Mannschaftswettbewerbe für den Schachklub Umkirch im Schwarzwald und ist
häufig bei offenen Turnieren zu sehen. Dort bestreitet er seine Unkosten mit Buchverkäufen
und Zuwendungen seiner Anhänger; seit seinem Aufenthalt in einem Pflegeheim in Fußbach
im Schwarzwald ist er finanziell nicht gut gestellt. Doch seine unerschütterliche Vitalität
läßt ihn nicht ruhen - wieder und wieder, zur Freude seiner Anhänger, bricht er
aus und spielt als Alterspräsident, als ältester Spieler des Turniers.
Ein persönliches Zusammentreffen
Ich hatte selbst die Gelegenheit, Diemer am Brett gegenüber zu sitzen, 1975 in Biel. Die
Partie entwickelte sich zu einem kritischen Abspiel des Studier-Angriffs im BDG, ich hatte Schwarz.
Natürlich wollten wir beide um jeden Preis gewinnen. Es gab Chancen, aber schließlich nahm
die Partie ein Ende, welches Diemer, der vom ersten Zug an auf Matt spielt, gewiß nicht
freute - remis.
Ein liebenswerter Exzentriker
Es gibt eine Seite an Diemer, die nicht jedem seiner Anhänger gefällt. Er ist hoch
intelligent und gebildet, mit vielen Interessen, darunter die Prophetien des Nostradamus. Und auf
dieser Grundlage prophezeite er mehr als einmal das Ende der Welt (Gottseidank, daß es
nicht eintrat), ein Bombardement von Dresden, oder den Fall der Berliner Mauer. Im Gegensatz zu
vielen anderen sehe ich es als liebenswerte Exzentrizität an und nicht als einen Hinweis
darauf, daß Diemer womöglich rückfällig geworden sei in Zeiten, da er in
einer psychiatrischen Anstalt gepflegt wurde.
Wie dem auch sei: Laßt uns hoffen, daß wir Emil Josef Diemer noch für lange Zeit
feiern können. Es ist nur traurig, daß er wegen seines Handicaps der Schachwelt keine
weiteren Bücher hinterlassen kann - diese Aufgabe müssen seine Schüler nun
übernehmen.