Fast möchte man ein Fragezeichen hinter die Überschrift setzen. Aber auch ein
nimmermüder Angriffsspieler kann mit seinem vorbildlichen Elan Naturgesetzen nicht
widerstehen.
Emil Josef Diemer, der seit Jahren in einem Altersheim im Schwarzwald lebt, hat sich durch
seine Verbesserung des Blackmar-Gambits in aller Welt einen Namen gemacht. Freilich handelte
es sich dabei nicht um eine fein ausgetüftelte neue Variante, sondern um eine ganze Schachphilosophie,
deren Prinzip Diemer im Titel seines berühmt gewordenen Buches zusamengefaßt hat. Das
Buch heißt Vom ersten Zug auf Matt.
Auf Anhänger dieser Philosophie stoßen wir überall in der Welt. Sie haben
Zeitschriften in mehreren Sprachen und Turniere ihrer Lieblingsidee gewidmet, und sogar die Titel
"Blackmar-Diemer-Weltmeister" und "Blackmar-Diemer-Großmeister" sind
verliehen worden. Wer abseits dieser Begeisterung mit vorsichtigem Positionsspiel langsam auf der
ELO-Leiter emporklettern will, hat für Diemer und seine Anhänger nur ein müdes
Lächeln übrig. Er vergißt aber, daß die Freude am Schach weniger aus dem
Erfolg und in der Hauptsache aus dem Erlebnis des Kampfspiels geschöpft wird. Dies und nichts
anderes erklärt die Zahl der Blackmar-Diemer-Anhänger und ihre unerschöpfliche
Begeisterung. Ihrem Meister aber wünschen sie vor allem ein langes Leben und die dazu nötige
Gesundheit.
Wer dem Blackmar-Diemer-Gambit in unseren Theoriebüchern nicht begegnet, dem sei erklärt,
daß die Eröffnung aus dem Gambit des Amerikaners Armand Edward Blackmar
(1826-1888) hervorgegangen ist, das mit 1.d4 d5 2.e4 dxe4 3.f3 beginnt, und daß die Erwiderung
3... e5! eine Verbesserung erforderlich gemacht hat, um das Gambit in der Praxis spielbar zu machen.
Die Verbesserung in der Einschaltung von 3.Sc3 Sf6 und nun erst 4.f3! Der Zwischenzug 3.Sc3 geht
zwar auf den polnischen Meister von Popiel zurück, aber dieser setzte dann
mit 4.Lg5 fort, während Diemer Blackmars ursprünglicher Idee treu geblieben ist und
damit zwei Lager in der Schachwelt geschaffen hat: das große Heer der Indifferenten und
Skeptiker und die kleine, aber feine Schar, deren Begeisterung für das Gambit sich wie gesagt
auf eine Lebensphilosophie gründet und deshalb unerschütterlich ist.
Ludwig Steinkohl
(Orthographiefehler korrigiert, Stilistik und Formatierung beibehalten - Anm. d. A.)
Ergänzung d. A.:
Eine würdigende Glosse sollte auch die richtige Schreibweise des Namens respektieren;
richtig ist nur "Emil Joseph Diemer" - kein "f"
(gemäß Auskunft des Standesamtes Radolfzell).