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Alle Rechte vorbehalten. Rev. 1.0 - 11.04.2004
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... gibt es denn auch so etwas wie Schachkultur??

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Unlängst erreichte mich, etwas überraschend, die Bitte, doch einen Artikel zu schreiben für eine geplante Schachzeitung - den Schach-Spiegel.

... es ist eine Schachzeitung für freechessler geplant, namentlich der Schach-Spiegel. Vorgesehen ist darin auch eine Gambit-Ecke, und da Du ja absoluter Spezialist des BDG bist, dachten wir, Du könntest in der ersten oder zweiten Ausgabe etwas über das Gambit schreiben...

Man tat sich (zu) schwer, etwas über Herausgeber, Redaktion resp. inhaltliche Ausrichtung dieser Zeitung zu sagen. Dennoch stellte ich einen kurzfristig erarbeiteten Artikel zur Verfügung, wieder mal für Diemer eine Lanze brechend, und in der Überzeugung, die Leser nicht nur mit "Null-Acht-Fünfzehn"-Informationen wie Partien, Analysen oder theoretischen Abhandlungen zu langweilen, sondern - selten genug - historischen, also auch kulturellen Hintergrund zu erhellen. Doch erstens kommt es anders...

... Falls es Dir zuviel Mühe machen sollte, Partienmaterial oder Analysen zusammenzustellen, dann sag es frei raus. In einer Gambit-Ecke sollte auch das Thema an sich behandelt werden und nicht nur Geschichtliches bzw. Anekdoten oder dergleichen. Der Schachfreund will etwas über die FS-Tauglichkeit der Eröffnung erfahren, damit er es daraufhin auch anwenden kann...

Eine ziemlich harsche Replik... Und das, obwohl angeboten war, Theorie, Partien etc. zum Gegenstand eines weiteren Beitrages zu machen. Schade - aber die verschmähte Kolumne soll nun wenigstens hier gezeigt werden.

Schach ist wahrlich mehr als nur Eröffnungssysteme, Varianten und Analysen - ob man jetzt auf Tim Hardings einschlägigen Beitrag zur geneigten Kenntnisnahme verweisen sollte?!


Wieland Belka


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Ein Mysterium geht um in Schächerkreisen, das Mysterium des BDG...

Hier mit Gleichmut zur Kenntnis genommen, dort als Lebensphilosophie verteidigt - spiele das BDG, und das Matt kommt von allein!!
BDG wie Blackmar-Diemer-Gambit, benannt nach dem US-Amerikaner Armand Edward Blackmar (1826-1888) und dem Deutschen Emil Joseph Diemer (1908-1990), von keinem geringeren als dem Ex-Weltmeister Max Euwe 1951 so in die Nomenklatur eingeführt.

Blackmar veröffentlichte im Schachmagazin "Brentano's Chess Monthly" im Juli 1882 erste Analysen und Partien zu seinem Gambit in der Urform 1.d4 d5 2.e4 dxe4 3.f3...,

[Stellung nach 3.f3...]

jedoch zu einer Zeit, als das "romantische" Schach bereits einer nüchtern eingestellten Schachschule zu weichen begann.
Und ein weiterer herber Rückschlag: Alsbald wurde eine Widerlegung gefunden mit der Riposte 3...e5! Auf 4.d5... krankt das weiße Spiel nach 4...Lc5 an langandauerndem Entwicklungsrückstand, und 4.dxe5... provoziert den Damenabtausch, für einen Gambitspieler beinahe tödlich.
Blackmars Gambitidee erlangte so keinerlei Popularität...

Diemer, immer auf der Suche, kompromißlos kämpferisch eingestellt, stets auf Sieg spielend, beschäftigte sich wohl erstmals Ende der 40er Jahre näher mit diesem Gambit und führte den Zwischenzug 3.Sc3... ein - zweifellos eine Wiederbelebung des Gambits.
In der Folge stürzte sich Diemer auf dieses Gambit - was er machte, tat er so manches mal mit geradezu selbstzerstörerischer Konsequenz - und gab "Die Blackmar- Gemeinde" im Eigenverlag in den Jahren 1955 bis 1956 heraus, veröffentlichte gar in 1956 sein erstes (und einziges) Buch "Vom ersten Zug an auf Matt!" bei W. ten Have in Amsterdam.

[Diemer-Buch]

Fortan entbrannte schier ein Glaubenskrieg. Diemer wurde es nie müde, "sein System" überall und gegenüber jedermann zu propagieren, wenn-gleich sein theoretischer Beitrag überschaubar genannt werden darf; dies besorgten im wesentlichen Interessierte und Anhänger.
Mitte der 70er Jahre eskalierte dieser Feldzug nicht zum ersten Mal: öffentliche, wortgewaltige Auseinandersetzungen zwischen Diemer, Studier und Gunderam, ausgetragen über die Zeitschrift "Rochade", beschäftigten, erregten, amüsierten Anhänger und Gegner bundesweit. "Das Blackmar-Diemer-Gambit verändert den ganzen Menschen!" (Diemer) - fürwahr, wann hat es im deutschen Schachleben schon so viel Bewegung gegeben?!

Das Jahr 1956 war sicherlich der Höhepunkt seiner Karriere als Berufsschachspieler: Er gewann die Reservegruppe des Hochofen-Turniers und später die Offene Meisterschaft der Niederlande; im selben Jahr wurde er in der Meisterschaft der Schweiz geteilter Zweiter (als Mitglied eines Schweizer Klubs). Nach einem Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik in den 60er Jahren spielte Diemer in den 70er Jahren für den Schachklub Umkirch in der Landesliga am ersten Brett mit großem Erfolg; 1985 trat Diemer zum letzten Mal in der Öffentlichkeit auf - anläßlich des 58. Badischen Schachkongresses in Donaueschingen.

Der niederländische Großmeister Hans Ree über Diemer: "Ein großer Schachspieler war er sicher nicht, aber ein besonderer Schachspieler in seiner krassen Einseitigkeit war er ja doch." Tatsächlich, und er löste etwas aus, eine "Gemeinde" etablierte sich bis heute, nicht nur in Deutschland, auch in den Niederlanden, in Frankreich, in den USA...

[© 2004 WB]