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Alle Rechte vorbehalten. Rev. 1.0 - 23.12.2006
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Eine Spurensuche im Schwarzwald...

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Zwei Köpfe beugten sich über den Tisch, und ein Zeigefinger fuhr ein wenig unschlüssig über die Autokarte. Wohin diesmal an einem freien Tag, nach Weinstraße und Ladeburg bei Heidelberg? Herwig meinte, der Schwarzwald wäre ein schönes Ziel.
Ja, der Schwarzwald... aber wohin?? Den Schwarzwald brachte ich bisher nur mit ein paar kitschigen Ansichtskarten in Verbindung. Doch plötzlich durchfuhr mich ein Gedanke: Baden..., Schwarzwald..., Fußbach... - Fußbach und Diemer! Sofort durchforstete ich das Kartenregister - Fußbach..., Fußbach... Fußbach - tatsächlich verzeichnet! Und wieder die Karte gedreht und gesucht - da, Fußbach. Irgendwie doch seltsam: vor Augenblicken noch keinen Gedanken daran verschwendet, und nun ein faszinierendes Ziel vor Augen...

Es war ein mild-kühler Herbsttag, hin und wieder etwas Sonne. Die Strecke "zog sich" auf der Autobahn. Abfahrt Offenburg, auf der B33 nach Gengenbach - es kam Bewegung ins Geschehen: Gengenbach war mir ein Begriff aus der Historie um Diemer, so auch die Bundestraße B33. Die Landschaft flach wie ein Tisch, ländliche Idylle. Und schließlich der Vorwegweiser Fußbach - und immer noch kam mir alles ein wenig unwirklich vor. Wir erreichten Fußbach zur Mittagsstunde und mußten nicht suchen - der Gasthof Rebstock liegt an der Hauptstraße, war nicht zu übersehen.

Auf dem kleinen Parkplatz gegenüber dem Gasthof streckte ich nach dem Aussteigen erst mal meine Glieder nach der langen Fahrt und ließ alles auf mich wirken. Der Gasthof selbst war mir von Fotos mit Außen- und Innenansichten bekannt, aber jetzt stand ich davor! Ich weiß von Diemer seit etwa 25 Jahren, erhielt gar einmal Post von dem guten Mann. Seit nun fünf Jahren schon unterhalte ich mein Webprojekt mit mühselig noch recherchierbaren Informationen, weiß über Diemer daher nicht wenig, stellte mir gar vor zwei, drei Jahren vor, doch einmal eine kleine Reise zu unternehmen - und nun war ich unverhofft hier!
Herwig fragte, ob wir gleich hineingehen wollten, aber ich meinte, jetzt zur Mittagsstunde sei doch sicherlich Hochbetrieb - vor dem Haus eine ganze Reihe von Autos, wollen wir nicht zunächst den Waldfriedhof aufsuchen und anschließend in den Gasthof? Gesagt - getan, an der Pförtnerloge des Altenpflegeheimes erfragten wir den Weg. Und nach wenigen hundert Metern hinter dem Gasthof tauchten wir in einen kühlen Hochwald ein. Von diesem Waldfriedhof wußte ich nichts weiter, kannte lediglich Fotos von Diemers Grabstelle. Unweit des Eingangs stellten wir das Auto ab. Wir waren allein auf dem Friedhof, der gänzlich im Hochwald eingebettet liegt.

Mit dem Bild im Hinterkopf bewegte ich mich mit einigermaßen gemischten Gefühlen über das Gelände, suchte auf einem ersten Grabfeld vergeblich, suchte mich an den Todesdaten zu orientieren, auch auf einem zweiten Grabfeld ohne Glück, und stand dann doch unvermittelt davor. Es war alles andere als Gleichmut, was mich bewegte...
Und tatsächlich: Was ich bereits nach dem mir bekannten Foto vermutete, ist wirklich wahr - Diemers Name wurde auf seiner Grabplatte falsch geschrieben hinterlegt. Muß man dies einem Mann auf seinem letzten Weg antun? Für mich ein Indiz, daß Diemer ohne Familie zu Grabe getragen wurde...
[Diemer-Grabtafel 2006]
Diemers Grabtafel in 2006
[Diemers Grab 2006]
Diemers Reihengrab in 2006
Nach zwei Fotos von Diemers Grab wanderten wir noch ein wenig im Umfeld des Friedhofes, schauten auf Fußbach im Tal hinab, empfanden Ruhe und Frieden über der Landschaft...

Und zur späten Mittagsstunde standen wir wieder vor dem Gasthof, hungrig und neugierig zugleich.
Durch einen kleinen Vorraum mit Wandtelefon erreicht man die alte Gaststube. Ich wußte von der Website des Gasthofes, daß das Haus vor Jahren einer Rekonstruktion unterzogen wurde und erwartete nicht wirklich, noch etwas von der historischen Atmosphäre wiederzufinden. Und ich wurde nicht "enttäuscht": alles sauber, ordentlich, aber altbekannt, nichts mehr vom Flair eines ländlichen, historisch gewachsenen Gasthauses mit von Rauch und Staub gedunkelten Hölzern, Patina auf Beschlägen und altehrwürdigem Gestühl, und das ist schade.
Gleich links erkannte ich die Sitzecke unter den Fenstern zur Straße wieder, und fast dünkte mich, Diemer dort sitzen zu sehen, wie er "Rat hielt". Ich wußte aus den Geschichten um Diemer, daß dieser Gasthof wie ein zweites Zuhause für ihn war. Er hatte beinahe täglich hier gesessen, Kaffee getrunken, Zeitung gelesen, Korrespondenz erledigt, in diesem Gastraum, in dieser Sitzecke, all' die Jahre freundlich geduldet von den Gasthauseignern.

Links am Tresen vorbei geht es in einen großen unpersönlichen Gaststubenanbau, er war immer noch voll besetzt und wirkte eigentlich nur ungemütlich. Schnell war ich mir mit Herwig einig, doch im alten Gastraum vorn Platz zu nehmen. Und ich bemerkte auch sofort das einzig Ungewöhnliche in diesem Ensemble: eine Fotografie von Diemer, an der Wand links vom Tresen - aaahhhh! [Diemer-Foto im Gasthof]
Diemer-Foto im Gasthof

Wenn schon keine historisch anheimelnden Räumlichkeiten, so wollte ich doch wenigstens bodenständig essen - Spätzle. Eine Frau in mittleren Jahren bediente, eine gepflegte Erscheinung in ländlich-typischer Kleidung, und mit unverkennbar kräftigen Händen. Meine stillschweigende Sicht: eine Bäuerin in einem Nebenjob. Die Frau war freundlich und bot auf unsere Nachfragen zu Diemer von selbst an, den Wirt an unseren Tisch zu bitten. Die Spätzle waren gut und sehr sättigend. Mir fehlte zu meinem Glück nur noch ein Kontakt zu den Wirtsleuten.
Und tatsächlich, nach dem mittäglichen Hochbetrieb setzte sich ein jüngerer Mann in den Dreißigern zu uns an den Tisch, der Juniorchef und Sohn der früheren Eignerin des Hauses. Er bestätigte, daß Diemer ziemlich regelmäßig zu Gast war, erzählte, daß er nicht selten lange und lauthals im Vorraum telefonierte, hin und wieder auch mal anschreiben ließ, oft zu Fuß den langen Weg über die Bundesstraße nach Gengenbach ging, nur um sich seine Zeitung zu kaufen, und daß er überhaupt ein sehr seltsamer Mann war, dem die Buben des Ortes so manchen Streich spielten. Lachend erinnerte sich der Mann an eine Situation in jungen Jahren, als Diemer an der Straße stehend eine große Zeitung las, weit aufgeschlagen kurz vor dem Gesicht haltend, und die Burschen ihm die Zeitung in Brand setzten, Diemer erst aufmerksam wurde, als er nur noch Teile der Zeitung in Händen hielt.

Im Nachhinein bedauere ich, längst nicht all' das nachgefragt zu haben, was für mich von Interesse war, es lag mir in diesem Augenblick leider nicht auf der Zunge. Aber immerhin durfte ich noch die Fotografie von der Wand nehmen, um diese mir unbekannte Aufnahme von Diemer abzulichten.
Doch alles in allem bin ich dankbar, unverhofft die Gelegenheit gehabt zu haben, ein winziges Stückchen Diemers Spuren folgen, Authentizität atmen zu dürfen.



Wieland Belka


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