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  15.04.2005
  http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,2287159,00.html
  aspekte
 
 
 
Das Ende der Privatsphäre
 
aspekte "über.morgen" zum Thema Überwachung
 
Früher war ja bekanntlich alles anders, das gilt natürlich auch für den Bereich der Schnüffelei: Ermittler, ob nun Privatdetektive, Behörden oder Geheimdienste blieben bei ihrer Arbeit stets im Verborgenen, und die Zielpersonen - das überrascht nicht unbedingt - blieben ahnungslos.
 
Gerald Giesecke
 
 
   Das war früher. Denn nun kommt das Zeitalter der permanenten Überwachung aller. Das Unglaubliche dabei ist, dass wir die Informationen für diese Überwachung selber liefern, und das massenweise und freiwillig obendrein. Davon berichtet dieser Tage unter anderem ein Schwede: Pär Ström.

"Ständig beobachtet"
     Ström ist Software-Experte und Berater großer Unternehmen. Dem Mann aus Stockholm fiel auf, wie viele persönliche Daten Tag für Tag rund um die Uhr gesammelt werden, wie gläsern wir längst sind und wie überwacht wir sehr bald sein werden. Nun hat er, besorgt ob seiner Erkenntnisse, ein Buch geschrieben: "Die Überwachungsmafia". Für Pär Ström ist klar: Wir stehen erst am Anfang - und mit der altmodischen "Schnüffelei" ist es bald vorbei:
 
   "Wir werden alle zwar wissen, dass wir ständig beobachtet werden, aber wir sehen es, wir bemerken es nicht. Wir hinterlassen doch jeden Tag mehr elektronische Fußspuren in unserem täglichen Leben. Und die werden verwendet, um uns zu kontrollieren."
 
   Unser Leben aufzeichnen
     In der Tat, geradezu niedlich erscheinen die Sorgen und Proteste rund um die "Volkszählung" im vergangenen Jahrtausend: Ob Kameras, Kundenkarten beim Einkauf oder Tanken, ob Versichertenkarte, Email, SMS oder schlichte Telefonate - überall warten Rechner darauf, unser Leben aufzuzeichnen, warten Ämter, Firmen, Dienste darauf, uns mit einem Klick komplett auszuchecken. Mal geht es dabei um den "gläsernen Kunden", ein andermal um die Anforderungen der "Sicherheit". Neu dabei ist: Eine Überwacher-Hand wäscht künftig die andere ...
 
   Pär Ström nennt ein Beispiel: "Die Grenzen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor werden mehr oder weniger verschwinden. So werden Regierungsbeamte auch auf private Daten zugreifen können - was man wo einkauft, Versicherungs-Datenbanken und so weiter. Und die Versicherungen ihrerseits werden die Prämien erhöhen, wenn man beispielsweise viel schlechtes Essen kauft, Fast Food, Süßigkeiten und so weiter. Denn statistisch lebt man dann ja kürzer, oder?"
 
   
  Die Überwachungsmafia

von Pär Ström
Hanser
März 2005
ISBN 3446229809

Preis: 19,90 Euro
 
 
 
   Supermarkt der Zukunft
     Die Überwachungswundertechnologie der Zukunft heißt "RFID"-Chip: Vorbei der Strichcode, schon bald erhält jede Shampooflasche einen hauchdünnen dieser Funk-Chips, ist damit stets auffindbar, ihr Aufenthalt und natürlich ist nach dem Erwerb auch ihr Käufer ständig bekannt. Es ist eine neue Form der "Zweierbeziehung" zwischen Kunde und Produkt, zunächst angepriesen lediglich zur Optimierung der Warenströme.
 
   Im Supermarkt der Zukunft speichert der Rechner alle Daten im Vorübergehen, keine Kassen, keine Kassiererin und so weiter. Das Geld für den Einkauf wird einfach vom Konto abgezogen. Der Rechner speichert alle Kundenbewegungen. Auch wenn es um Schnapsflaschen, Schwangeren- oder Schwulenmagazine, abgelaufene Produkte aus der Billig-Abteilung geht ...
 
   Moderne Gesichtserkennung
     Eine intime Beziehung zu seinem Besitzer erhält so auch jedes Ticket zur Fußball-WM 2006. Die Daten des Fans sind per Chip auf ihm gespeichert. Wer ist wo und mit wem im Stadion? Kein Problem!
 
   Und mit den Methoden moderner Gesichtserkennung schlägt der Computer auch bei verdächtigen Visagen sofort Alarm. Warum auch nicht, denn hochtechnologische Überwachung, so sollte man meinen, richtet sich doch nur gegen den, der etwas zu verbergen hat. Oder? Dieser oft geäußerten Meinung "rechtschaffender Bürger" hält Pär Ström allerdings Gewichtiges entgegen: "Auch wenn man nichts zu verbergen hat, gibt es immer Dinge, die zwar legal sind, die man aber für sich behalten will. Persönliche Beziehungen, gesundheitliche Dinge, Interessen, politische Einstellungen. So etwas ist privat und sollte auch privat bleiben."
 
   Ein Volk von Verdächtigen
     Aber mit diesem Wunsch steht er derzeit nicht in der Mehrheit da. "Vor-Verdächtig", so heißt das Schlagwort der Gegenwart, ob bei den deutschen Behörden oder der US-"Homeland Security". Die Amerikaner preschen voran: Fingerabdruck und Foto aller Einreisenden werden bei den Airlines und der "Immigration" gespeichert und sind ständig abrufbar. Die Aussicht, auf diese Weise Terroristen aufzuspüren ist gering - die Bürger aber werden derweil zu einem Volk von Verdächtigen.
 
   Zur umfassenden Kenntnis über potentielle Straftäter gehören natürlich auch deren Finanzen. In Deutschland erhielten die Behörden dieser Tage Zugriff auf Jedermanns Konten. Jedermanns Konten! Und noch gespenstischer für den braven Bürger wird die Aussicht auf die mögliche Verknüpfung aller gesammelter privater Daten.


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